Die Kammermusik-Gemeinde e. V. Hannover besteht seit 1929. Im Verlauf ihrer Geschichte zeigen sich wichtige Aspekte in Kultur und Pflege der Kammermusik.
Kurzer Überblick
- 1872
wurde in Hannover der "Verein für Kammermusik" gegründet, dem 1886 ein
zweiter gleichnamiger Verein folgte. Ende des 19. Jahrhunderts wurden
zahlreiche Konzerte lokaler Formationen angeboten, das Interesse des
Publikums ließ indessen nach.
- 1929 wurde die "Musikgemeinde Hannover" unter maßgeblichem Einfluss des Fabrikanten Heinz Appel gegründet. Bereits kurz nach der Gründung hatten sich 750 Mitglieder angemeldet. das erste Konzert fand im Oktober 1929 mit dem Guarneri Quartett statt. Nach 1933 sank die Mitgliederzahl stark ab, was wohl auch damit zu erklären war, dass die Mitgliedschaft vielfach als rückständig im "Zeichen der neuen Zeit" angesehen wurde. Nachdem Zugeständnisse - verbilligte Eintrittskarten - an politisch gelenkte Kulturorganisationen - gemacht waren, konnte die Musikgemeinde sich ungestört ihrem Satzungszweck widmen, nämlich "gute Musik (...) durch künstlerisch hochstehende Veranstaltungen des Vereins zu fördern und zu pflegen". Allerdings waren nicht genehme Künstler und Komponisten ab März 1933 von den Aufführungen ausgeschlossen. Auch die Mitgliedschaft von "Nichtariern" im Verein wurde zunehmend von außen kritisiert, wie viele andere in der Zeit versuchte man zu "lavieren".
- 1937 musste sich Heinz Appel als Vorsitzender der Musikgemeinde
gegen
Einwände der Reichsmusikkammer hinsichtlich der Programmgestaltung
wehren. 1938 bemühte er sich unverdrossen um Aufnahme
zeitgenössischer Musik in die Programme, was aber von
Beiratsmitgliedern nicht begrüßt wurde, da man "schlagartigen Rückgang
der Konzertbesuche" befürchtete.
- Am
12.02.1940 wurde der Name der Musikgemeinde in "Kammermusik-Gemeinde e.
V. geändert. Damit wurde der Name dem Tätigkeitsprofil angepasst. Im
gleichen Jahr übernahm Dr. jur. Bernhard Sprengel den Vorsitz und wurde
zum lange Zeit maßgeblichen Gestalter des hannoverschen
Musiklebens. Ein wesentliches Ziel der Aufführungen war, die Hörer zu
eigenem Tun
aufzufordern. Man ging also davon aus, dass sie ein Instrument
spielten. In diesem Sinne wurde auch reines Virtuosentum nicht gern
gesehen, die Virtuosität sollte immer "im Dienste des Kunstwerks"
stehen.
- Mit zunehmender Verschärfung des Krieges, wurde es immer schwieriger, Konzerte zu veranstalten. Mitte 1944 fand das letzte Konzert in der NS-Zeit statt.
- Schon am 14. November 1945 erklang das erste Nachkriegskonzert in der Turnhalle der freien Waldorfschule. Neben Streichquartetten von Beethoven und Haydn, die schon immer gespielt wurden, kam auch op. 22 von Hindemith zu Gehör. Dr. Sprengel hatte die Konzertbesucher zuvor in einem Vortrag auf das "moderne" Werk (aus dem Jahr 1922!) vorbereitet. Auch in weiteren Konzerten wurden neuere Werke oder Kompositionen gespielt, die in der NS-Zeit nicht aufgeführt werden durften. Es gab nun und in den folgenden Jahren auch eine bewusste Pflege modernerer Kompositionen.
- Mit dem sich schnell entwickelnden Musikleben in Hannover wurden viele international bedeutende Künstler und Formationen eingeladen, um reizvolle Programme zu gestalten. Neben dem Quartett oder Trio spielten auch größere Ensembles, zudem wurden Darbietungen wichtiger Sängerinnen und Sänger hin und wieder in das Programm aufgenommen.
- In den Jahren nach 1950 erwarben sich die Konzerte der Kammermusik-Gemeinde einen überregionalen, ja sogar internationalen Ruf. Es gelang zudem international bedeutende Kammermusiker, wie das Végh-Quartett, für ganze Konzertreihen zu gewinnen. In der Zeit von 1946 bis 1965 stieg die Mitgliederzahl, die damals mit der Abonnentenzahl gleichgesetzt wurde, von etwa 700 auf über 1400. Da das Fassungsvermögen des Beethovensaals nicht genügte, wurden jeweils zwei Konzertabende angeboten. Kurze Zeit wurden sogar der Kuppelsaal genutzt, um allen Abonnenten den Genuss eines Konzerts zu erlauben.
- 1978 wurde eine neugefasste Satzung verabschiedet, die noch wesentliche Elemente der Satzung von 1929 enthielt. Auch die Programmstruktur entsprach der Glanzzeit des Vereins. Gleichwohl war die Mitglieder-/Abonnentenzahl rückläufig, so dass der akustisch vorzügliche jedoch unbequeme Beethovensaal im HCC nicht ohne weiteres gefüllt werden konnte.
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Heute hat die ehrwürdige Kammermusik-Gemeinde Hannover neues Leben gewonnen. Die Satzung wurde der Zeit angepasst. Prospekte und Programmhefte werden überzeugender und frischer gestaltet. Unter der Firma "Kammermusik Hannover" wird ein weniger abgesondertes Leben signalisiert. Besonders wurden die Programme unter der künstlerischen Leitung von Prof. Oliver Wille gründlich renoviert.Es ist eine Freude, den innovativen Leitgedanken in den Konzeptionen der Jahresprogramme nachzuspüren.
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Neben international etablierten Künstlern in der "Classics Reihe" werden in der "Jungen Reihe" junge, hoch qualifizierte Ensembles oder Solisten eingeladen, die häufig eine steile Karriere vor sich haben. Außerdem gibt es enge Kontakte mit Kooperationspartnern, die sich in besonderen Konzerten abbilden. Zu den Neuerungen zählen besonders die Konzerte in der "LiederLounge", mit dem Ziel dem Liedgesang wieder ein Forum zu verschaffen und zudem die häufig wahrgenommenen Barrieren vor "klassischem Konzertbetrieb" aufzuheben. Die schon immer angestrebte Zusammenarbeit mit der Musikhochschule ist durch den dort eingeführten Master-Studiengang Kammermusik konkreter geworden. Sie zeigt sich in vielfältigen gemeinsam geplanten und durchgeführten Veranstaltungen, wie den Kammermusik-Tagen oder der LiederLounge.